25'000 protestierten in Bern gegen Sozialabbau und für faire Löhne Samstag, 4. November 2000 / 16:58 Uhr
Bern - Rund 20.000 Menschen sind am Samstagnachmittag zur Herbstkundgebung der Gewerkschaften auf den Bundesplatz
in Bern geströmt. Sie unterstrichen damit ihre Forderung nach mehr Lohn, vollem Teuerungsausgleich und flexiblem Rentenalter. Dem Sozialabbau sei der Riegel zu schieben. Der soziale Friede habe einen Preis.
Die vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) lancierte
Kundgebung unter dem Motto «Fortschritt für alle statt
Gewinne für wenige» wuchs am Nachmittag innert Kürze zur
grössten Manifestation in Bern seit vier Jahren an. Während
die Ansprachen auf der grossen Tribüne längst im Gang
waren, strömten noch tausende mit Trillerpfeifen und
hunderten von Transparenten über den Bärenplatz vor das
Bundeshaus. Dort werde zurzeit ein in der Schweiz noch nie
dagewesenes Steuersenkungsprogramm für Reiche, hohe
Einkommen und Vermögen, allen voran der Banken,
vorbereitet, sagte SGB-Präsident Paul Rechsteiner.
Antisoziale Attacke
Die
«antisoziale Attacke» ziele auf einen knallharten
Sozialabbau für das gewöhnliche Volk; und zwar in
Milliardenhöhe bei der AHV und durch Rentensenkungen bei
den Pensionskassen. «Es wäre gelacht, wenn wir jetzt im
Aufschwung nicht imstande wären, jetzt wo auch die AHV
wieder schwarze Zahlen schreibt, diesen gigantischen
Volksbetrug zu entlarven und den Sozialabbau zu
verhindern», sagte Rechsteiner. Zehn Jahre seien nun die
Arbeitenden am Arbeitsplatz, beim Lohn und bei den Steuern
für dumm verkauft worden. «Der soziale Friede hat einen
Preis», warnte der SP-Nationalrat.
Grossverdiener könnten geniessen..
Die am kommenden 26. November zur Abstimmung gelangenden
AHV-Initiativen seien für Bauarbeiter und andere schwer
arbeitende Menschen von grundlegender Wichtigkeit, sagte
der Zentralpräsident der Gewerkschaft Bau und Industrie
(GBI), Vasco Pedrina. Denn während fast die Hälfte der
Bauarbeiter vor Erreichen des AHV-Alters invalid werde oder
sterbe, könnten die Grossverdiener ihren Ruhestand in
Gesundheit und Wohlstand geniessen. Und mit der 11.
AHV-Revision würde dieser Skandal noch ausgeweitet, indem
den Witwen sogar die Witwenrente gestohlen werde, obwohl
die «Büetzer» 35 Jahre und länger brav ihre AHV-Beiträge
bezahlt hätten.
Zumindest ein Teil der menschlichen Leidens
könne mit eine Ja zu den Ruhestandsinitiativen gemildert
werden. «Und wenn das etwas kostet, dann holen wir doch das
Geld da, wo es reichlich vorhanden ist, bei den
Spekulanten, Grossaktionären und Firmenverschacherern»,
erklärte Pedrina.
«Her mit der Teuerung, rauf mit den Löhnen»
Die Kundgebung richtete sich im weiteren gegen das
Bundespersonalgesetz, da es Entlassungen unter praktisch
jedem Vorwand ermögliche, Mindestlöhne senke und ungerechte
Leistungslöhne einführe. In einer separaten Kundgebung
hatte am Samstagmittag der Schweizerische Eisenbahn- und
Verkehrspersonalverband (SEV) auf der Schützenmatte beim
Berner Hauptbahnhof den vollen Teuerungausgleich, eine
Reallohnerhöhung und den Teuerungsausgleich auf den
SBB-Renten gefordert.
Die SEV-Manifestanten stiessen in der
Folge ebenfalls zur Grosskundgebung. Die Berner
Stadtpolizei bezifferte die Teilnehmerzahl auf 18.000 bis
20.000 Personen. Die Organisatoren beim SGB sprachen von
25.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
(ba/AP)
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